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Das unbekannte Tal vor uns

Claus Haubeil • Mai 27, 2020
Bei einer Wanderung führt der Zustieg auf einen abgelegenen Gipfel manchmal durch ein langes Tal mit vielen Windungen. Nur die Karte oder Wegmarkierungen lassen mich erahnen, tatsächlich auf dem richtigen Weg zum Ziel zu sein. In der Coronakrise fehlt uns diese Orientierung. Wir betreten Neuland. Niemand vor uns hat Wegmarkierungen hinterlassen. Trotzdem müssen wir vorankommen und einen Weg finden. Machen wir uns auf die Suche.

Zunächst gilt es, den möglichen Verlauf der Coronakrise zu verstehen. Die Wissenschaft bietet uns drei Verlaufsarten, die mit den Buchstaben V, U oder L beschrieben werden.

Sicherlich erinnern Sie sich an den 11. September 2001. Nahezu jeder weiß exakt, wo er an diesem Tag war. Der Schock von 9/11 hatte zu einer kurzen, intensiven Pause geführt. Trotzdem brach kein weltweiter Krieg aus, sondern "nur" ein lokaler Konflikt und die jahrelange Jagd auf Osama bin Laden. Das Trauma brannte sich tief in die Seele der Amerikaner, aber einige Wochen später liefen Leben und Wirtschaft wieder normal. Wie bei einem V hatte sich alles rasch auf dem gleichen Level wie zuvor eingependelt.

2008 traf uns die Finanz- und Bankenkrise. Bis ins Jahr 2009 herrschte große Verunsicherung. Reihenweise musste unser Staat systemrelevante Geldhäuser vor dem Zusammenbruch bewahren, weil sie in faulen Subprime-Krediten engagiert waren. Die Realwirtschaft bei uns hatte einen empfindlichen Dämpfer erfahren. Der Staat wirkte mit verschiedenen Konjunkturhilfen entgegen und so kamen wir glimpflich aus dieser Krise. 2010 war für die meisten Firmen ein völlig normales Jahr. Das Tal war länger als bei 9/11 - daher für mich ein klarer U-Verlauf.

Experten sprechen bei Corona von einem exogenen, globalen Schock. Der Lockdown hat nahezu alles betroffen und wirkt weiter. Prognosen sind vielfältig und zugleich schwierig. Die berühmte Glaskugel wird häufig zitiert. Welchen Krisenverlauf können wir erwarten? V, U oder L? Aus meiner Sicht sind drei Kriterien maßgebend für den bevorstehenden Krisenverlauf:
  1.  Für die Binnenwirtschaft ist der Konsum von großer Bedeutung. Fragen Sie sich selbst: Haben Sie derzeit große Lust, über den täglichen Bedarf hinaus zum Shoppen in die nächste City zu gehen? Ich jedenfalls nicht. Einkaufen mit Maske, Abstand und diversen Warteschlangen fördert die Kauflaune nicht. Mehr als 10 Millionen Menschen in Kurzarbeit und darüberhinaus weitere Millionen mit erheblichen Existenzsorgen werden die Konjunktur nicht beleben. Menschen, die Klopapier hamstern, halten ihr Geld zusammen anstelle es mit beiden Händen auszugeben. Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wird im Spiegel mit den Worten zitiert "... dennoch ist die Verunsicherung unter den Konsumenten groß. Das Barometer im Mai zeigt immer noch den zweitniedrigsten Wert, der jemals für das Konsumklima in Deutschland gemessen wurde." Aktuell gehen Prognosen für 2020 von einem Konsumrückgang zwischen 5 bis 6 Prozent aus.

  2. Die deutsche Wirtschaft und unser Wohlstand hängt des weiteren sehr am Export. Laut Ifo-Institut lagen die Exporterwartungen im April bei -50 Prozent. Im Mai sind die Erwartungen weniger schlecht ausgefallen. Trotzdem ist die gesamte Welt von der Pandemie betroffen. Der Konsum in anderen Ländern ist ähnlich eingebrochen wie bei uns. Die USA stehen bei knapp 40 Millionen Arbeitslosen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass der Export in den nächsten Monaten wieder Fahrt aufnehmen wird. Selbst China scheint nicht über den Berg zu sein. Konkrete Prognosen gab es zu letzt vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Beide gehen von einem Exportrückgang von 15 Prozent im Vergleich zu 2019 aus. Das sind düstere Aussichten. Einige Exportbranchen wie den Maschinenbau wird es hart treffen.

  3. Weitere Infektionswellen: Die größte Bedrohung für die Wirtschaft ist eine weitere Covid19-Infektionswelle im nächsten Winter. Solange kein Impfstoff zur Verfügung steht, drohen im Fall steigender Infektionszahlen erneute Lockdowns. Vor 100 Jahren während der spanischen Grippe gab es drei Infektionswellen, die zweite war am stärksten. Damals wurde das Grippevirus jedoch nur auf dem Land- und Seeweg verteilt. Ob uns diese Wegmarkierung hilft? Ich kann es nicht beurteilen. Medizinisch sind wir im Jahr 2020 besser gerüstet.  Heute haben wir jedoch die 4-fache Weltbevölkerung mit einer entsprechenden Verdichtung in Großstädten.
Konjunkturexperte Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bilanziert diese Woche in FOCUS: „Die Talsohle dieser Krise ist immer noch nicht durchschritten. Die Erholung wird länger dauern als viele vermuten.“ Ich spreche regelmäßig mit Unternehmern und Verantwortlichen in der Industrie. Aktuell höre ich nur in wenigen Ausnahmen Optimismus. Nachfrageschwäche, Zulieferprobleme und Kosteneinsparungen bestimmen das Tagesgeschäft. Ich ahne, es dürfte der erste L-Verlauf in meinem Leben werden. Krisentheorie wird zur Realität. L bedeutet eine Rückkehr zum vorherigen Niveau über mehrere Jahre. 

Wie die Welt nach "Corona" aussehen wird, wissen wir heute noch nicht. Viel wichtiger erscheint mir, was wir als Menschheit aus dieser Krise lernen. Vielleicht müssen wir begreifen, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen. Vielleicht sollten wir uns enger zusammen raufen und Durchbrüche bei Herausforderungen wie dem Klimawandel schaffen. Mehr friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Natur wäre schön. Vielleicht wenden wir uns von Gier und Kapitalismus ab und besinnen uns zurück auf christliche Werte, die unsere Gesellschaft über Jahrhunderte geprägt haben. Ich merke, dass viele Menschen nachdenken und unser System hinterfragen. Das ist gut so. Diese Welt braucht dringend Veränderung zum Guten. Aus dieser Krise kann viel Gutes entstehen, wenn wir es gemeinsam wollen. 

Das vor uns liegende Tal wird enden und es gibt einen neuen Anstieg - zum nächsten Gipfel, den wir heute noch nicht sehen können. Kommen Sie weiterhin gesund an Körper, Seele und Geist durch das unbekannte Tal! Nur bergab ging es in der Geschichte der Menschheit noch nie. Vertrauen Sie auf die Steigung, die weiter hinten auf dem Weg kommen wird! 

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